Ein verstrahlter Tag

Heute bin ich in Oldenburg, um mich verstrahlen zu lassen. Ihr wundert euch? Ich weiß  ehrlich gestanden auch noch nicht so recht, was ich damit anfangen soll. Ich habe so manch Zipperlein und gehe dem nun radiologisch auf den Grund. Hierzu wird mir eine Substanz injiziert, die eine gewisse Zeit radioaktiv ist (Skelett-Szintigraphie). Der erste Gang unter die Röhre liegt bereits hinter mir. Dazu ist es erforderlich, sich ruhig hinzulegen und ein großer viereckiger Klotz fährt langsam, von Kopf bis Fuß, über mich hinweg.

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Eigentlich undramatisch. Jetzt sitze ich im Auto und muss zwei Stunden warten. Dazu soll ich eine ganze Flasche Wasser trinken. Danach geht es nochmals in diese Röhre.

Ein wenig unheimlich ist das alles schon. Denn momentan und auch die nächsten Stunden soll ich keinen Kontakt mit Kindern pflegen. Ich sei eine zeitlang radioaktiv verseucht. In ein paar Stunden ist der Spuk vorüber und die radioaktiven Teilchen sind wieder herausgespült.

Mich erinnert das an jene Dokumentation im Fernsehen, die vom Höllentrip der Mitarbeiter auf dem Reaktor in Tschernobyl handelte. Kurz nach dem Unglück mussten, angeblich freiwillige Mitarbeiter, auf dem Dach, unmittelbar am Zentrum der Katastrophe arbeiten, um Schlimmeres zu vermeiden. Vor den radioaktiven Strahlungen konnte sich keiner schützen – die Strahlung war zu massiv. Die einzige Chance, um wenigstens nicht zu verbrennen:  Zwei Minuten und keine Sekunde länger über dem Reaktor arbeiten und dann schnell wieder runter. Sie waren sich im Klaren darüber, dass sie diese Rettungsaktion nicht überleben werden. Ich denke, inzwischen wird auch keiner mehr von ihnen leben.

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Würdet ihr so etwas tun?

Wir können diesen Menschen noch nicht einmal danke dafür sagen… nur um die Katastrophe abzuwenden haben sie ihr Leben gegeben. Das erinnert an Jesus, der schlussendlich für unsere Sünden stellvertretend gestorben ist…

Meine Flasche Wasser ist fast leer, die erste Ladung ist schon auf  Toilette gebracht. In einer halben Stunde werde ich nochmals durchleuchtet. Dann bekomme ich das Ergebnissen in Form von Bildern in die Hände gedrückt und darf damit vorerst nach Hause. Im Januar erfahre ich von meinem überweisenden Arzt dann mehr.

Ich kann mich noch sehr gut an Zeiten erinnern, in denen ich innerhalb von wenigen Tagen bei Fachärzten vorsprechen konnte. Heutzutage bekomme ich keinen Termin mehr unter drei Monaten. In dem Zeitraum sind andere schon gestorben. Ernsthaft krank sein kann man sich daher nicht mehr unbedingt leisten. Daher achte ich inzwischen deutlicher auf meine Zipperleins und gehe lieber zu früh zum Arzt, als es vor mir herzuschieben… naja stimmt nicht ganz und wird wohl auch nie so ganz klappen. Denn es widerstrebt mir, ich bin einfach kein Arztgänger. Mein Hausarzt sieht mich normalerweise nur, wenn es mir völlig dreckig geht. Aber die Zeiten ändern sich und ich werde älter. Mist, da ist es wieder, dieses Wort „älter“ werden. Ich  hatte es doch aus meinem Vokabular verbannt. Und nun muss ich mich schon wieder damit auseinander setzen. IMG_9648.jpg

Das wiederum erinnert mich daran, dass alles, wogegen man sich wehrt, seelischen Schmerz auslöst. Das Annehmen und akzeptieren befreit mich jedoch davon, oder lässt es erst gar nicht entstehen. Nun ist älter werden ja kein Seelenschmerz, sagt ihr jetzt bestimmt zurecht. Wenn ich jedoch nicht alt werden möchte und mich dagegen ständig wehre, löst es mein ganz persönliches Leid aus. Ich hatte gestern noch die Diskussion mit A. – einem Blogger, der ein zweites Mal an Krebs erkrankt ist. Er berichtet von seiner aufkommenden Angst, die er eigentlich im Griff hatte. Das erinnert mich an die buddhistische Weisheit, im Hier und Jetzt zu leben. Denn der Blick in die Vergangenheit löst mitunter Leid aus und der Blick in die Zukunft, löst schlichtweg Angst (Angst vor dem Unbekannten) aus.

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Rund wird diese Weisheit durch die Aussagen von Eckhart Tolle in seinem Buch „Jetzt! Die Kraft der Gegenwart„, in der es heißt: Niemandes Leben ist gänzlich frei von Schmerz und Kummer. Geht es nicht darum zu lernen, mit ihnen zu leben, anstatt zu versuchen sie zu vermeiden? Er argumentiert weiter, dass der Schmerz, den wir jetzt erschaffen, aus unserer Ablehnung dessen, was ist, entspringt.

Ok verstanden, dann lassen wir den Kram doch einfach so stehen. Ich werde alt und du, lieber A. hast Krebs. Punkt. 😉

Übrigens, jeder der bereit ist, zu leben und nicht gelebt zu werden, empfehle ich das Buch von Eckhart Tolle. Vera F. Birkenbihl, eine deutsche und beliebte Managementtrainerin, schrieb das Vorwort zu seinem Buch „Jetzt! Die Kraft der Gegenwart“. Ihre Videos (viele bei Youtube) müsst ihr euch einmal anschauen. Eine beeindruckende Frau – leider inzwischen verstorben. Ihr widme ich bald einen eigenen Artikel.

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