Die Stimmen aus dem Jenseits

Ein Tatsachenbericht von einer Frau, die nach vielen Jahren noch trauert.

Ich bin nicht wirklich über den Tod hinweg gekommen…

noch nach 13 Jahren kann ich das für meinen verstorbenen Mann sagen. Und für meine Eltern, die vorher schon das zeitliche gesegnet haben, gilt die gleiche Aussage.

Alles, was danach erfolgt ist, ist nicht mehr das, was mich gänzlich glücklich gemacht hat. Für mich ist mit dem Tod meiner Familie mein Leben zu einem großen Teil mit beerdigt worden. Seitdem lebe ich nur noch als Hülle von einem erfüllten Leben, dass keiner mehr danach nur ansatzweise ersetzen konnte. 

Innerlich schüttle ich immer nur den Kopf, wenn Ehemann „second edition“ meint, er müsse jetzt mal Stellungnahme beziehen, wenn ich von meinem verstorbenen Mann berichte. „Ja, der war da ja ohnehin schon von dir getrennt …“, so faselte er dann ständig. Das ist einfach nur peinlich. So ein gequirlter Bullshit! Will er damit Aufmerksamkeit oder Mitleid erregen oder seine Wertigkeit in den Vordergrund stellen, oder was soll das ganze Theater? Kann er das nicht einfach nur so stehen lassen? Und ohnehin, hat er überhaupt eine Ahnung, warum wir (mein erster Mann und ich) das so entschieden haben? 

Fakt ist, meine Familie ist komplett ausradiert und ich fühle mich seitdem sehr allein. Ja, es gab sicherlich eine Menge scheiß Momente, aber es waren trotzdem die Wurzeln meines Daseins. Daher muss ich mich nicht dafür schämen, sie zu vermissen, auch wenn man mir das so gerne einreden will. 

Grabstein als Kreuz mit der Schrift: Ruhe sanft

Mein Vater hat mich völlig ausgehebelt. Seitdem wir beide wussten, dass er schwer erkrankt ist, gab es für mich kein Halten mehr. Ich schwor ihm auf die Hand, dass er bei uns … also in seinem Haus bleiben würde und wir für ihn da sein werden. Ja, das tat ich tagsüber auch. Und nachts … ja, da bin ich, vollgepumpt mit Ecstasy von Club zu Club getingelt und feierte ich über viele Jahre auf Techno, was das Zeug hielt. Mein Pa starb in meinen Armen. Ich durchlebte diesen Verlust über zwei Jahre immer wieder aufs Neue. Es war die Hölle. 

Meine Mutter starb 14 Jahres später. Nur ein Jahr, nach ihrem Tod, folgte mein erster Ehemann. Auch er starb in meinen Armen – es war so grauenvoll. Wieder war es der blanke Horror für mich und das, obwohl wir schon getrennt voneinander gelebt hatten. Innerlich waren wir unzertrennlich und dieses Band ist bis heute nicht zerstört … offensichtlich zum Leidwesen meines zweiten Mannes. Mir ist das mehr als egal. Ich kann meine Gefühle eh nicht erklären oder hoffen, dass es jemand anderes ebenso fühlt.

Regelmäßig macht sich mein zweiter Ehemann lustig darüber – ja er wirft es mir vor, wie ich mit dem Tod meines Ehemannes umgegangen bin. Er wäre nur zweite Wahl gewesen und das hätte ich ihm immer spüren lassen. Und die vielen Jahre, in denen ich Sachen von meinem verstorbenen Mann gehütet und aufgehoben hätte, wären ja so lächerlich gewesen. 

Klares Statement von mir: Leck mich am Arsch, du Vollpfosten!

Hast du überhaupt eine Ahnung, wie es ist, geliebte Menschen für immer zu verlieren? Du, der jeden in Arsch tritt, wenn es unangenehm wird? Du, der noch Eltern hat und der noch niemanden wirklich verlustig gemeldet hat? Du, der nie eine so innige Beziehung geführt hat, wie ich? Du, der noch nicht einmal weiß, warum er heute überhaupt liebt? 

Sorry, aber ich glaube, das wirklich echte Leben ist an dir vorbeigehuscht oder du hast es nie erfahren. Du wirst wohl nie mitreden können, du wirst immer in deiner begrenzten Welt von Profit, Oberflächlichkeit und Egoismus leben. Du wirst nie erfahren, wie es ist, ein Band fürs Leben zu haben, das für immer bestehen bleibt … egal wer und wie es zerredet wird … 

Übrig bleiben meine nicht versiegenden Tränen und die fortwährende Trauer. Mal zermürbt sie, mal lässt es sich damit ein wenig leben. Allerdings ist der Verlust und die Erkenntnis dessen niemals vorbei, sie begegnet mir ständig und alternativlos. Mag sein, dass es irgendwann besser wird. Mag sein, wenn genügend Zeit vergeht, werden die Abstände des Vermissens größer. Aber das Vermissen und der tiefe Graben im Leben bleiben und das zermürbt erbarmungslos und macht unendlich traurig. 

4 Kommentare zu „Die Stimmen aus dem Jenseits

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